Zur Geschichte der "Heiligen Jahre"
Mit dem "Jubiläum der Barmherzigkeit", das Papst Franziskus am 8. Dezember eröffnet, beginnt bereits zum 29. Mal in der Kirchengeschichte ein "Heiliges Jahr". Das Großereignis ist in der katholischen Kirche ein Jubiläumsjahr, das regulär alle 25 Jahre begangen wird. Biblisches Vorbild ist dafür das Jubeljahr (Levitikus 25), ein alle 50 Jahre begangenes Erlassjahr. Das nun anberaumte Heilige Jahr zum Thema Barmherzigkeit fällt allerdings aus dieser Reihe und ist somit "außergewöhnlich" - ähnlich wie in jüngster Vergangenheit die Heiligen Jahre mit den Schwerpunkten Maria (1987) und Paulus (2008).
Für die Stadt Rom bedeutet das Heilige Jahr einen Massenansturm, wenngleich der Pilgerrekord von rund 25 Millionen Besuchern im Heiligen Jahr 2000 kaum erreicht werden dürfte. Für die Besucher der ewigen Stadt sind die Romwallfahrt selbst wie auch die Heilige Pforte und der Ablass die zentralen Elemente. Zum Ritual gehört auch der Besuch von derzeit acht Pilgerorten in Rom, darunter der Petersdom, die Lateranbasilika, die Basilika Santa Maria Maggiore und die Katakomben.
Der Blick auf die Geschichte offenbart den höchst unterschiedlichen Charakter der einzelnen Heiligen Jahre, bei denen rauschende barocke Feste im Kontrast zu nüchternen Glaubensdemonstrationen standen und Jubelfeste oder Dankfeiern mit Buß- und Sühnejahren wechselten. Manche Jahre fielen Kriegen und Unruhen zum Opfer.
Beginn als Kreuzzug-Ersatz
Der Abstand zwischen den Heiligen Jahren wurde von 100 auf 50, auf 33 und schließlich auf 25 Jahre verkürzt. Schon das nächste Jubeljahr 1350 fand ohne den Papst statt, der im französischen Avignon residierte. Das Heilige Jahr 1390 war geprägt vom großen abendländischen Schisma. Die Resonanz war gering.
Um 1400 herrschte eine ähnliche religiöse Spannung wie 100 Jahre zuvor. Aus Südfrankreich kamen Büßer und religiöse Fanatiker. Am "Zug der Weißen" - benannt nach ihrer Kutte - sollen 120.000 Menschen teilgenommen haben. Eine "Heilige Pforte" wurde im Petersdom erstmals 1500 vom umstrittenen Borgia Papst Alexander VI. geöffnet, einem Freund feierlicher Zeremonien. Er stellte neben dem Portal große Truhen für das Opfergeld auf, das zum Teil in den Taschen seines Sohnes Cesare landete. Daher verbot Klemens VII. für 1525, Opfergeld zu kassieren. Trotz der Reformation berief er ein Heiliges Jahr ein - wegen der unsicheren Lage kamen nur wenige Besucher, ähnlich 1550.
Petersdom-Rohbau und Waffenverbot
Kein Heiliges Jahr gab es 1800. Pius VI. war von Napoleon verschleppt worden und starb 1799 im Exil. Bei der Wahl seines Nachfolgers war es für ein Heiliges Jahr zu spät. Für 1825 kündigte Leo XII. wieder ein Anno Santo an. Es fand in einem Klima der Angst vor Verschwörungen statt. Danach blieb die Heilige Pforte für 74 Jahre geschlossen. 1848 brachen Revolutionen aus; Pius IX. musste fliehen. 25 Jahre später rief der gleiche Papst, der sich nach dem Ende des Kirchenstaates 1870 als "Gefangener" im Vatikan fühlte, nur symbolisch ein Jubeljahr aus.
Für Leo XIII. Imagepolitik
In einer Aufbruchstimmung mit starkem missionarischen Charakter fanden das Heilige Jahr 1925 und ein außerordentliches Jubeljahr 1933 - 1.900 Jahre nach Christi Auferstehung - statt. Die erste Heilig-Jahr-Statistik ermittelte für 1925 die Zahl von 582.234 Pilgern. 1950 nach Weltkrieg und Faschismus und vor dem Hintergrund der Teilung Europas bestimmte Pius XII. die festliche Szene. Drei Millionen Pilger kamen. Der Papst verkündete das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel.
Nüchterner, im Geist des Konzils, war das "Anno Santo" 1975. Die Romfahrten erlebten mit neun Millionen Besuchern einen Höhepunkt. Anliegen war die innere Erneuerung und Versöhnung der Menschen. Johannes Paul II. berief 1983 ein außerordentliches "Heiliges Jahr der Erlösung". Das "Große Jubiläum" 2000 war sein großes Lebensziel: Er wollte die Kirche ins Dritte Jahrtausend führen.