Hier finden Sie kurze Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Gewalt und sexueller Missbrauch in der Kirche. Bei allen weiteren Fragen stehen Ihnen die Fachleute der diözesanen Ombudsstellen gerne Rede und Antwort.
Ich wurde Opfer von Gewalt und/oder sexuellem Missbrauch in der Kirche - Was soll ich tun?
Wenden Sie sich möglichst rasch an eine der diözesanen Ombudsstellen. Dabei steht Ihnen selbstverständlich frei, sich an die Ombudsstelle Ihrer Diözese oder an jede andere österreichische Ombudsstelle Ihres Vertrauens zu wenden. Adressen und Kontaktinformationen zu den Ombudsstellen finden Sie hier.
Selbstverständlich können Sie sich auch an die Unabhängige Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic wenden. Diese erreichen Sie hier.
Sowohl die Ombudsstellen als auch die Opferschutzanwältin wird sich ganz nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen richten - ob Sie Aussprache suchen, Hilfe bei der Recherche oder konkreten Beistand. Die Hilfe ist selbstverständlich streng vertraulich und kostenlos.
Die Bestellung der Ombudsstellen obliegt den jeweiligen Diözesen. Daher sind die Stellen personell auch sehr unterschiedlich besetzt. In der Regel stehen in einer Ombudsstelle neben dem Leiter / der Leiterin weiters professionelle therapeutische, juristische und auf Wunsch auch seelsorgerische Kräfte zur Verfügung.
Was erwartet mich in den Ombudsstellen?
Nachdem Sie sich telefonisch, per Mail oder postalisch an die Ombudsstelle gewendet haben, werden die Mitarbeiter der Stelle Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Bei allen weiteren Schritten richten sich die Ombudsstellen, die sich als Opferanwaltschaft verstehen, ganz nach Ihren Wünschen. Sollten Sie etwa ein persönliches Gespräch bzw. eine klärende Aussprache wünschen, so stehen Ihnen dazu psychologische, juristische und seelsorgerische Fachleute zur Verfügung.
Die Ombudsstelle führt weiters eine erste Prüfung der Sachlage durch und ermittelt etwaige Täter. Auf Ihren Wunsch kann es in der Folge zu einer von der Ombudsstelle assistierten Begegnung von Opfer und Täter kommen. Selbstverständlich steht man Ihnen auch beratend zur Seite, wenn Sie gegen einen Täter Anzeige erstatten wollen.
Allgemein gilt der Grundsatz: Das Opfer entscheidet die Vorgagsweise, nichts geschieht gegen den Willen des Opfers, alles wird vertraulich behandelt.
Was ist die Aufgabe der Unabhängigen Opferschutzanwältin?
Die Unabhängige Opferschutzanwältin versteht sich als ein zusätzliches Angebot für all jene Betroffenen, die sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht an eine kirchliche Ombudsstelle wenden möchten. Auch die Opferschutzanwältin wird mit den Daten und Informationen der Opfer absolut vertraulich umgehen. Selbstverständlich ist auch dieses Angebot für die Betroffenen kostenlos.
Die Unabhängige Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic erreichen Sie hier.
Was erwartet den Beschuldigten/Täter?
Sollte der des Missbrauchs Beschuldigte noch leben, so wird mit ihm Kontakt aufgenommen und es kommt zu einer Konfrontation des Beschuldigten mit den Vorwürfen. Erhärtet sich ein an die Ombudsstelle gemeldeter Missbrauchsverdacht, werden die zuständigen Vorgesetzten in der Kirche informiert. Der Täter wird danach bis zu endgültigen Klärung von den kirchlichen Funktionen dienstfrei gestellt.
In den meisten Diözesen übernimmt nach der Erstklärung durch die Ombudsstelle eine Kommission die weitere Klärung. Die Kommission kann ihrerseits den Verdächtigen einvernehmen und Zeugen befragen. Sie erarbeitet schließlich Empfehlungen für den Bischof bzw. einen Bericht zur weiteren Vorgangsweise. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so kennt das kirchliche Dienstrecht eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen den Täter, die bis zur Entlassung aus dem Klerikerstand führen können. Für Laien im Kirchendienst sehen die Dienstverträge eine sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses vor.
Gibt es eine kirchliche Anzeigepflicht?
Die Frage einer kirchlichen Anzeigepflicht wird selbst unter Juristen und Fachleuten unterschiedlich bewertet. Eine Anzeigepflicht besteht derzeit bei einigen Berufsgruppen, vor allem bei Bundesbediensteten im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit. Eine Anzeigepflicht haben somit alle, die im schulischen Bereich tätig sind, also auch Religionslehrer.
In den Ombudsstellen werden die Opfer über die Möglichkeit einer Anzeige des Täters informiert und auch dazu angehalten. Auch wird bei Wunsch juristischer Beistand geboten. Das Opfer entscheidet aber selbst, ob es anzeigt oder nicht. Diese Entscheidung ist in der Regel zu respektieren.
Sollte sich ein Verdachtsmoment gegen eine kirchliche Person bestätigen, so fordert die Kirchenleitung intensiv den Tätern zu einer Selbstanzeige auf. In besonders schweren Fällen bringt die Diözesanleitung selbst Fälle zur Anzeige, etwa dann, wenn auch andere Opfer betroffen sein könnten oder Wiederholungsgefahr besteht. Bei Gefahr in Verzug kann das auch gegen den Willen des Opfers geschehen, das selbst keine Anzeige erstatten will.
Welche Kosten trägt die Kirche?
Sämtliche Angebote der Ombudsstellen und der Unabhängigen Opferschutzanwältin sind selbstverständlich kostenlos. Sollten den Opfern Kosten für Beratung oder Therapie entstehen, so werden in der Regel die Täter selbst in die Pflicht genommen, für diese Kosten aufzukommen. Sollte der Täter bereits verstorben sein, so übernimmt die jeweilige Diözese bzw. Ordensgemeinschaft die Kosten.
Wenn es von Seiten der Opferschutzanwältin Vorschläge für Therapiezahlungen oder Entschädigungen gibt, wird man von Seiten der Kirche diese für bindend erachten. Die Zahlung von fixen Entschädigungssummen, wie sie derzeit etwa von Anwälten Betroffener medienwirksam gefordert werden, lehnt die Kirche indes ab. Die Frage, ob einzelfallbezogen finanzielle Entschädigungen gezahlt werden, wird derzeit noch diskutiert.
Die Kosten der Arbeit der Opferschutzanwältin und ihres Teams werden im Übrigen nicht aus Mitteln des Kirchenbeitrags bestritten.
Wieso gibt es keine überdiözesane Einrichtung oder Hotline?
Die Ombudsstellen wurden vor rund 15 Jahren in allen Diözesen eingerichtet. Seither steht man auf dem Standpunkt, dass es sinnvoll ist, die Stellen möglichst nah an den Menschen und Betroffenen in den jeweiligen Diözesen zu belassen, um so auf kurzem Weg raschere Hilfe und Kontakte zu ermöglichen, als dies bei einer überdiözesanen großen Stelle möglich wäre.
Selbstverständlich können Sie auch über die bundesweit einheitliche Telefonnummer 142 mit der Telefonseelsorge Kontakt aufnehmen. Auch dort wird man Ihnen gerne unverzüglich und streng vertraulich weiterhelfen.
Wie viele Menschen wenden sich an die diözesanen Ombudsstellen?
Seit 1. Jänner 2010 verzeichneten die diözesanen Ombudsstellen insgesamt 566 Kontakte per Telefon oder E-Mail. Dabei handelt es sich freilich nicht um tatsächliche Missbrauchsfälle, sondern um Erstkontakte, die noch zu prüfen sind. Wurden im gesamten Jahr 2009 in der personell am besten ausgestattete Wiener Ombudsstelle 17 Kontakte (davon acht erhärtete Verdachtsfälle) registriert, so wurden heuer bereits 174 registriert. Die allermeisten davon entfallen auf die Zeit vor 1993 und sind somit höchstwahrscheinlich rechtlich verjährt.
Ähnlich ist die Situation in anderen Diözesen: In Innsbruck meldeten sich bei der Ombudsstelle seit Jahresbeginn 115 Personen, in Linz 78, in Graz-Seckau 63, in der Erzdiözese Salzburg 55. Es folgen Eisenstadt mit 29 Kontakten, St. Pölten mit 22, Gurk-Klagenfurt mit 16 und Feldkirch mit 14. Künftig wird die katholische Kirche monatlich Zahlen über die in den Ombudsstellen verzeichneten Kontakte bekannt geben.
Zusatzinformationen:
Neue Rahmenordnung 2021
Hier können Sie die neu überarbeitete Rahmenordnung "Die Wahrheit wird euch frei machen" (Stand September 2021) für die katholische Kirche in Österreich einsehen und
Seit 2010 hat die Unabhängige Opferschutzkommission 3.202 Fälle entschieden. In 2.944 Fällen wurde zugunsten der Betroffenen entschieden. Insgesamt handelt es sich um 3.399 Betroffene von physischer und/oder sexueller Gewalt, davon 2.123 Männer und 1.276 Frauen
Den Betroffenen wurden bisher in Summe 36,11 Mio. Euro zuerkannt, davon 28,51 Mio. Euro als Finanzhilfen und 7,6 Mio. Euro für Therapien. Die Kirche hat alle Entscheidungen der "Klasnic-Kommission" umgesetzt. In 258 Fällen wurden keine Leistungen zuerkannt.
Die Betroffenen haben insgesamt 7.952 Vorfälle gemeldet, das heißt, dass die Mehrheit von zwei oder mehr Übergriffen betroffen war. 79% der Betroffenen berichten von körperlicher Gewalt, 28% von sexueller Gewalt und 11% von körperlicher und sexueller Gewalt, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. 62,5% der Betroffenen sind männlich, 37,5% weiblich.
Die meisten Vorfälle sind rechtlich verjährt und haben sich hauptsächlich in den 1960er- und 1970er-Jahren ereignet (0,3% der Fälle lassen sich zeitlich nicht zuordnen): 12,7% der Fälle sind in den 1950er-Jahren und früher geschehen, 35,2% in der 1960er-Jahren, 34,1% in den 1970er-Jahren, 11,5 % in den 1980er-Jahren, 4,6% in den 1990er-Jahren und 1,6% seit 2000.
62,7% der Betroffenen waren zum Zeitpunkt der Übergriffe 6-12 Jahre alt, 28% 13-18 Jahre, 7,6% waren jünger als 5 Jahre, 1,4% wareb über 18 Jahre, 0,3% sind nicht näher definiert. 73,1% der Betroffenen wurde 1965 oder davor geboren und sind somit heute 60 Jahre oder älter.
(Stand: 19. April 2024)
Maßnahmen der Katholischen Kirche in Österreich gegen Missbrauch und Gewalt - Ein Überblick